Morgens wache ich auf und bin ganz braun, also, meine Haut ist braun geworden. Ich schließe wieder die Augen, denke kurz nach, vergewissere mich, nicht mehr zu träumen; öffne erneut die Augen, blicke mich um, im Schlafzimmer, überall hin, endlich wieder auf mich, blinzele - hochgradig erregt - auf meine Haut, und stelle fest, ja, ich bin braun, nicht hellbraun, nicht knackig-sonnengebräunt braun, sondern kaffeebraun. Ich gerate außer mir, springe auf, renne ins Bad, vor den Spiegel und - ja ja ja, ich bin braun und scheine noch immer brauner zu werden. Ich reibe an meiner Haut, will das abreiben, reibe wie verrückt. Aber die Farbe bleibt. Zum Arzt, schießt es mir durch den Kopf, rasch zum Arzt! Ich springe in meine Hose, Hemd drüber, und stürze aus dem Haus, ungewaschen. Unrasiert bin ich auch. Aber egal. Es geht um jeden Augenblick. Alles dauert lange, viel zu lange, und der Weg zum Arzt ist so weit. Ich renne und versuche den Gedanken niederzuhalten, dass sich mit jeder weiteren Minute meine Haut weiter bräunt, vielleicht sogar schwärzt. Himmel noch mal, auch muss ich eine Station fahren und muss weitere, entscheidende Zeit verrinnen lassen. Am U-Bahnhof stoße ich auf eine Absperrung. Ich frage nicht nach ihrem Sinn, nehme sie nur wahr. Ausländer werden gesucht, höre ich von irgendwoher. Verzweifelt dränge ich vor, schreie, man solle mich zum Zug lassen. Hier mein Ausweis: Deutscher Staatsbürger, unbescholten! Ich müsse zum Arzt. Festnehmen! verstehe ich da: Festnehmen! Und über die Sperre springe ich, die Treppen hinunter, zu dem Gleis, wo meine U-Bahn zum Arzt fährt. Unten angelangt: keine U-Bahn, nur schwer bewaffnete Polizisten; Polizisten mit Maschinengewehren und vor sich eine Gruppe Ausländer. Falsches Gleis, denke ich, und hetze um die nächste Ecke zum Fahrplan. Schon das richtige Gleis festgestellt und wieder los. Plötzlich ein Anschreien. Ich mich umgedreht, den im Lauf stoppenden Polizisten gesehen, gesehen auch sofort den Gewehrlauf, die Hände hochgeworfen - da knallt der Schuss, trifft mich. Ich stürze, bin im Sterben, höre noch: Verdammter Neger, haben wir dich erwischt! - und reiße die Augen auf. Wach bin ich, bin in meinem Schlafzimmer, liege schweratmend auf dem Bett, und - natürlich - ich habe weiße Haut: Doch alles normal.
Copyright: Andreas Venzke