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Was ich sonst mache

Sonntag 9. Februar 2014, von Andreas Venzke

Tja, was denn? Ehrlich gesagt, nicht so viel. Es ist gar nicht so, dass man als Schriftsteller ein besonderer Mensch sein muss. Viele Leute haben ja ein bestimmtes Bild im Kopf, was ein Autor ist: Einer, der strubbelige Haare hat und überhaupt ungepflegt ist, der immer in den Himmel schaut, die ganze Zeit grübelt und auf jeden Fall zwei linke Hände hat. Ich hatte früher strubbelige Haare, das stimmt. Aber sonst? Ich dusche regelmäßig, weil ich regelmäßig laufe. Dabei schaue ich auch immer auf die Straße, damit ich nicht hinfalle. Und grübeln tue ich nur am Schreibtisch, sonst habe ich immer gute Laune ... Ich habe auch mal eine Gartenhütte selbst gebaut und die steht schon seit zehn Jahren.
Trotzdem kriegt man so ein Bild von einem versponnenen, vergeistigten, lebensuntüchtigen Schriftsteller nicht aus der Welt. Mich hat mal eine Frau gefragt, die mich noch nicht lange kannte: "Was, du fährst Motorrad? Ich dachte, du bist Schriftsteller!" (Sie wusste nicht mal, dass ich sogar eine Enduro hatte, eine 500er Honda, wie man da sagt, also eine hochgebockte Geländemaschine mit 500 Kubikzentimetern Hubraum, mit nur einem Zylinder, die schön tief tuckerte wie ein Trecker und mit der ich an der Ampel fast jedes Auto stehenlassen konnte.)

Also, eigentlich stehe ich mit beiden Beinen fest im Leben: Ich habe ein Haus, ein Auto, Frau und Kinder. (Diese Reihenfolge hat hier aber nichts mit der Wichtigkeit zu tun.)

Und noch aus einem anderen Grund kann ich sagen, dass ich zwar sonst nicht viel ..., aber mit beiden Beinen ... Bis nach der Geburt meines dritten Kindes war ich nämlich Gleitschirmflieger. Das war nicht nur mein Hobby, das war meine Sucht – neben dem Rauchen. Wenn es nur ging, also bei Sonne und wenig Wind, bin ich raus: Schirm ausgelegt, auf Vorwind gewartet, ein paar Schritte und juchhu: Ich war in der Luft. Das ging hoch bis unter die Wolken, ich ganz allein, die Welt mir zu Füßen! Das Gefühl kann man nicht beschreiben. Das muss man selbst erlebt haben. Aber dann bin ich schwer abgestürzt. Ich hatte Glück, nicht im Rollstuhl zu sitzen.

Nur manchmal hebe ich doch noch ein bisschen ab: Wenn ich nämlich laufe. Denn das ist meine neue Sucht. Wenn ich zu lange am Schreibtisch gesessen und nur die Finger bewegt, höchstens mal mich aufgerichtet habe, wenn es draußen nicht regnet, am besten die Sonne scheint, oder sie aufgeht wie Sonntags früh im Sommer, wenn noch alles schläft, wenn es dämmert und im Wald niemand unterwegs ist, wenn mich mein guter Freund anruft und sagt, dass er gerade Zeit hat, wenn mir so gar nichts einfällt – ziehe ich mir meine Laufschuhe an und mache mich auf den Weg: Meistens laufe ich mindestens eine Stunde. Vielleicht kommt euch das viel vor, ist aber ganz leicht, wenn man nicht rennt wie verrückt. Das macht dann richtig Spaß. Man merkt, dass es in uns Menschen steckt, sich so lange zu bewegen – und sogar noch länger, bis zu einem Marathon. Das sind dann genau 42,195 Kilometer. Das macht aber keinen Spaß mehr und ist eher was zum Angeben. Und ein bisschen angeben will ich manchmal auch, vor allem in meinem Alter, wenn man eigentlich immer langsamer wird.
Ich versuche das zu verhindern. Aber die Zeit wird kommen, wo das nicht mehr geht, wo ich keine neue Bestzeit mehr laufen kann. Mal sehen, wie ich das dann vertrage. Denn dann werde ich wohl wirklich alt.

Obwohl ich ein Fußballbuch geschrieben habe, spiele ich sonst Volleyball. Das ist vielleicht das schönste Mannschaftsspiel. Man ist immer am Ball. Man muss ständig reagieren. Man darf nicht träumen. Und vor allem: Man hat gar nicht die Möglichkeit, dem Gegner wehzutun wie besonders beim Fußball. Da kann man ja wie ein Karate-Kämpfer mit gestrecktem Bein in den gegnerischen Mann gehen – auch wenn das natürlich nicht erlaubt ist.

Sonst mache ich auch ein bisschen Musik. Ein Freund hat mich dazu gebracht, ein Musiker. Ich übe mit anderen zusammen Gitarrespielen und versuche, neue Griffe, neue Rhythmen und überhaupt neue Lieder zu lernen. Das tut mir gut und macht auch den Kopf frei. Ich schwinge anschließend immer nach wie eine Kirchenglocke.

Tja, und ich habe meine Kinder, zwei Mädchen und einen Jungen. Wie die mich auf Trab halten, das könnt ihr euch ja denken.